Vor dem Haus, Brückgasse 7 (vormals Bahnhofstrasse 7) wurden am 20 November 2024 Stolpersteine für Jakob Hammerschlag, seine Frau Theresa Hammerschlag, geborene Bamberger, und für ihre Enkel Ernst und Berta Hammerschlag, verlegt.
Jakob Hammerschlag, 1855 im Kreis Lumda geboren, heiratete 1880 Theresa Bamberger, in dem selber Jahr, in dem er als Ortsbürger in Muschenheim angenommen wurde. Theresa war Tochter von Eisemann Bamberger und seine Frau, Sara geborene Bing, und mit der Familie von Leopold und Jenny Bamberger, die auch in Muschenheim wohnte, verwandt.
Das Geschäft, das er betrieb, war bis 1933 unter dem Firmennamen „Jakob Hammerschlag Kolonialwarenhandlung“ beim Amtsgericht eingetragen. Als Manufakturwaren-, Kolonialwaren- und Viehhändler galt Jakob Hammerschlag als wohlhabend. Auch Theresa, seine Frau, betrieb einen kleinen Kolonialwarenladen im Hof, in dem manchmal auch nach jüdischem Ritus geschlachtet wurde. Familie Hammerschlag gehörten in Muschenheim drei Häuser: Es waren die Bahnhoftrasse 7, die Brückgasse 8 und die Schulstrasse 1.
Jakob und Theresa Hammerschlag hatten einen Sohn, Salomon, genannt Sally, geboren am 25. März 1881. Auch er verdiente sein Geld al Viehhändler. Am 08 Juli 1908 heiratete er Rosalie, geborene Eckstein, Tochter von Meyer und Bertha (geb. Frank) Eckstein, aus Kesselbach. Das Paar hatte zwei Kinder: Ernst, geboren am 04. Mai 1910, und Berta, geboren am 02. Juni 1914.
Im Jahr von Bertas Geburt brach der Erste Weltkrieg aus. Sally wurde Soldat und ist 1916 gefallen. Im Giessener Anzeiger vom 28. November 1916 erschien seine Todesanzeige. Dort hiess es: „Nach 20 monatiger treuer Pflichterfüllung durch einen Kopfschuss im Alter von 35 Jahren den Heldentod fürs Vaterland gestorben.“ Zwei Jahre später, im Jahr 1918, starb auch seine Frau Rosalie. Sie war erst 33 Jahre alt und hinterliess die beiden Kinder Ernst und Berta als Waisen. Ernst war acht Jahre alt und Berta vier.
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Nach dem Tod der Eltern wuchsen die Beiden nun bei den Grosseltern auf. In der Dorfjugend waren sie gut integriert. „Ernstchen,“ so erzählt man, „habe wegen seiner Unbeholfenheit gelegentlich den Spott der anderen Kinder ertragen müssen. Als 1933 gegen die Juden Stimmung gemacht wurde, brachen nicht alle Freunde den Kontakt zu den Geschwistern ab.
Am 29. November 1933 starb der Großvater Jakob Hammerschlag mit 78 Jahren, die Großmutter Theresa zwei Jahren später mit 77 Jahren. Beide sind auf dem Friedhof ,,Bei der Leimenkaute“ beigesetzt. Ihre Särge seien, wie es jüdisher Brauch war, aus ungehobelten Brettern gewesen. Es gibt für sie keine Grabsteine.
Als die Grosseltern starben, waren Ernst und Berta 25 und 21 Jahren alt. Ernst arbeitete als Viehhändler in Muschenheim, Berta war Angestellte bei einer Frankfurter Familie.
Es ist überliefert, dass schon die ersten Einschüchterungsversuche der Nationalsocialisten Ernst sehr zugesetzt haben. 1934 hatte man für einige Zeit einen SA-Mann aus Bettenhauen vor dem Haus postiert. 1938, zur Zeit der Novemberpogrome, war Ernst Hammerschlag der einzige Jude, der noch im Dorf wohnte. Vom 08 November bis zum 06 Januar 1939 war Ernst mit der Häftlingsnummer 23109 im KZ Buchenwald inhaftiert.
Blass und eingeschüchtert, so sagt man, sei er zurückgekehrt und habe keinem erzählt, was ihm dort passiert sei. Kurze Zeit später war Erst verschwunden. Im Mai 1939 wohnte er in Frankfurt a/Main.1German Minority Census, 1939 Berta. Ob Ernst im 1939 in Bertas Nähe wohnte, weiss man nicht; die letzte Adresse für ihn in Frankfurt a/Main ist Untermainanlage 6.
Zwischen Mai und Ende August 1939 (d.h., vorm Ausbruch des Zweiten Weltkrieges), mit Hilfe der Frankfurter Familie bei der Berta angestellt war, gelang sie die Flucht nach England. Sie hat in London als eine „Domestic“ Hilfe für eine Frau Niekelsburg gearbeitet.
Es scheint, dass Ernst versucht hat, nach Palästina einzuwandern — Dieses Ziel ist in einem Dokument (unten) festgehalten — einzuwandern, aber er war nicht erfolgreich.
Ernst blieb mindestens bis Mai 1942 in Frankfurt; das genaue Datum seiner Deportation in den Bezirk Lublin im besetzten Polen ist nicht bekannt. Am 08 August 1942 wurde er im KZ Majdanek ermordet.
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Berta ist in den USA eingewandert — wann ist nicht bekannt. Wann und wie sie und Lothar Michel einander kennenlernten ist auch nicht bewusst. Aber am 14 Dezember 1945 hat Bertha (jetzt mit „h“) Lothar Michel geheiratet. Lothar wurde im Jahr 1913 in Merxheim geboren, der Sohn von Moses Michel und Bertha, geb. Berg. Im Oktober 1938 konnte Lothars ganze Familie — seine Eltern, ein Bruder, und zwei Schwestern —in den USA einwandern.21940 US Federal Census Im 1943 wurde Lothar amerikanischer Bürger. Wann Bertha starb ist nicht bekannt; Lothar starb in Februar 1984.3U.S., Social Security Death Index, 1935-2014 Nachfahren sind nicht bekannt.
Nachkommenliste von der Familie von Salomon u. Jette Hammerschlag
- Salomon Hammerschlag
- └ ∞Jette Suesskind, geb. circa 1827, gest. 2 Nov 1876 Lumda/HE
- 1. Sara Hammerschlag, geb. 31 Aug 1853 Treis a/d Lumda/HE, gest. 5 Jan 1935 Groß-Umstadt/HE
- └ ∞ Loeb Levi Stein, geb. 18 Jun 1858
- 2. Salomon Stein, geb. 22 Mär 1885 Lumda/HE
- └ ∞ Emilie Friedberg, geb. 21 Feb 1886, Ruppertshofe/Baden-Württemberg
- 2. Thirza Stein, geb. 27 Apr 1886 Treis a/d Lumda/HE
- └ ∞ Gustav Loeb, geb. 14 Mai 1879 Obbornhofen, jetzt Hungen/HE, gest. 27 Feb 1927 Hungen/HE
- 3. Ilse Loeb, geb. 20 Sep 1925 Hungen/HE
- 1. Jakob Hammerschlag, geb. 27 Sept 1855, gest. 29 Nov 1933 Muschenheim/HE
- └ ∞ (1880) Theresa Bamberger, geb. 15 Jun 1858 Muschenheim/HE, gest. 11 Feb 1935 Muschenheim/HE
- 2. Sally/Salomon Hammerschlag, geb. 25 Mär 1881 Muschenheim/HE, gest. 15 Nov 1916
- └ ∞ (08 Jul 1908 Kesselbach) Rosalie Eckstein, geb. 4 Jul 1885 Kesseslbach/HE, gest. 10 Nov 1918 Muschenheim/HE
- 3. Ernst Hammerschlag, geb. 4 Mai 1910 Muschenheim/HE, deportiert von Frankfurt am Main ins Distrikt Lublin, ermordet 08 Aug 1942 Majdanek KZ/Occupied Poland
- 3. Berta Hammerschlag, geb. 2 Jun 1914 Muschenheim/HE, 1939 Germany to Scotland (Domestic Permit Program)
- └ ∞ (14 Dez 1945 Manhattan, NY) Lothar Michel, geb. 28 Mär 1913 Merxheim/Germany, 1938 Holland to NY/USA, gest. Feb 1984 NY/USA
Quellen:
Ancestry.de
Arolsen Archiv
Hanno Müller, Juden in Lich : Birklar, Langsdorf, Muschenheim und Ettingshausen (2010), vol. 1, ,,Erinnerung wachhalten,“ Giessener Anzeiger, den 20 November 2024